17.11.2018 Südost: Harz - Hoher Meißner und zurück
17.11.2018
Ein Hochdruckgebiet über der Ostsee und Südskandinavien sorgt für südöstliche Strömung über Deutschland.
TopMeteo sagt Windgeschwindigkeiten von 20 bis 30 Knoten vorher.
In Aue bei Hattorf hat Matthias Picht Flugbetrieb organisiert: Es versammeln sich die Piloten von insgesamt 12 Segelflugzeugen, um in die Ackerwelle zu starten. Zunächst heißt es allerdings noch abwarten, bis die tief stehende Sonne das Eis auf Hauben und Flächen soweit ab- oder zumindest angetaut hat, dass ausreichend Sicht und Auftrieb für ein sicheres Fliegen gewährleistet ist.
Um 10.00 hebt als erstes Flugzeug im F-Schlepp die LS6 mit mir von der Piste ab, und ich klinke knapp 10 Minuten später in 1600m MSL im Acker-Lee über der Söse-Talsperre aus. Dort empfängt mich bis zu 1.5 m/s laminares Steigen, mit dem ich zunächst bis auf 2400m steige. Es ist wolkenlos, jetzt und für den Rest des Tages, so dass die einzigen Anhaltspunkte die Entfernung zum Acker-Grat und die Vario-Information sind. Bei einem Wind von 50km/h aus 130° befindet sich das Steiggebiet etwa 3km hinter dem Grat.
Aus 2400m versuche ich dann, ins Brocken-Lee zu springen. Erstaunlicherweise gibt es dort nur ganz schwaches Steigen, obwohl der Wind schön auf dem Berg steht, und ich beschließe, wieder zum ursprünglichen Steiggebiet über der Söse-Talsperre zurückzufliegen. Der Ausflug hat mich 700 Höhenmeter gekostet, so dass ich praktisch wieder von vorne anfange. Dieses Mal steige ich bis an den FL100-Deckel, der aufgrund des hohen Drucks heute bei immerhin 3200m MSL liegt. In der Höhe wird das Steigen etwas schwächer, liegt aber immer noch bei ca. 1m/s.
Aus dieser Höhe fliege ich 15km nach Südosten gegen den Wind vor, in der Hoffnung, über dem Siebertal oder der Odertalsperre eine vorgelagerte Welle zu finden. Es ist nicht das erste Mal, dass ich das probiere. Bisher hat es aber noch nie geklappt, und auch heute klappt es nicht. Knapp 1000m tiefer drehe ich um und fliege zurück zum Söse-Steiggebiet, um dort zum dritten Mal in 1700m Höhe in die Welle einzusteigen, in der ich geduldig wieder auf 3000m steige.
Das nächste Mal fliege ich mit dem Wind ab, um über Clausthal-Zellerfeld die Sekundärwelle zu suchen. Die gibt es zwar tatsächlich, allerdings ist sie ähnlich schwach wie die Brockenwelle. Lange halte ich mich nicht dort auf, sondern fliege zum dritten Mal für heute zurück in die Söse-Primärwelle. Immerhin hat das jetzt nur 800m gekostet. Über der Söse geht es wieder hoch, gefolgt von einem zweiten Versuch am Brocken, der ausgeht wie der erste, also noch einmal zurück an die Söse und dort wieder hoch.
Die meisten anderen Flugzeuge in der Ackerwelle sind mittlerweile mit einer unkompliziert erteilten Blockfreigabe von Bremen Radar oberhalb von FL100 unterwegs. Die größte Höhe des Tages sind 4000m MSL über der Söse-Talsperre, erflogen von Thomas Hendrischke auf der LS6.
Ich bleibe allerdings unterhalb von FL100, und die letzte Richtung, die ich noch nicht probiert habe, ist der Südwesten. Dort sieht man in 65km Entfernung den Hohen Meißner. Der Sprung dorthin hat mich schon immer gereizt, nur getraut habe ich mich noch nie. Heute prognostiziert mein Rechner 1200m Plus auf Witzenhausen. Ich drehe die Witzenhäuser Frequenz ein und erreiche Thomas Meder, der dort am Platz ist und mir einen Rückschlepp anbietet, wenn ich keinen Anschluss finden würde. Außerdem ist heute Samstag, und ich muss erst am Montag wieder im Büro sein, und es sind ausreichend viele potenzielle Rückholer an der Aue versammelt, dass ich auch von einem Außenlandefeld wieder zurückkommen sollte. Wann also, wenn nicht heute?
Es gibt zwei mögliche Routen, die unterwegs Steigen oder zumindest vermindertes Sinken erwarten lassen. Die eine holt etwas nach Westen aus und führt über Göttingen entlang des Leinetals durch das Lee des Göttinger Stadtwaldes, die andere führt östlich an Duderstadt vorbei. Ich entscheide mich mehr oder weniger spontan für die Westroute und fliege ab. Bis 5km hinter Osterode hält das verminderte Sinken des Acker-Lees noch an. Bis Göttingen hab ich nur 600m Höhe verloren, auf 30 km Entfernung, so dass meine Ankunftshöhe auf Witzenhausen steigt. Im Lee des Stadtwalds finde ich tatsächlich vermindertes Sinken, halte mich aber nicht damit auf, das näher zu untersuchen. Danach wird das Sinken wieder stärker, so dass ich Witzenhausen in 1800m Höhe passiere. Der Rauch der Papierfabrik im Gelstertal passt so gar nicht zu dem Südostwind in der Höhe und lässt mich auf einen Rotor dort hoffen. Tatsächlich lässt das Sinken um so mehr nach, je weiter ich das Tal hoch fliege, und bei Laudenbach finde ich schließlich in noch 1500m Höhe 1.8m/s laminares Steigen.
Das Steiggebiet ist klein, vielleicht 3km lang und etwas mehr als 1km breit, aber es bringt mich zuverlässig wieder hoch. In der Höhe wird das Steigen schwach, so dass es eine halbe Stunde dauert, bis ich zurück auf 3000m Höhe bin. Auf die Aue habe ich jetzt wieder 1000m Plus, und es sieht so aus, als ob ich weder auf das Rückschleppangebot von Thomas Meder noch auf die Dienste eines namentlich noch gar nicht benannten Rückholteams zurückgreifen müsste, um zur Aue zurückzukehren. Weiter im Osten stehen die ersten Wölkchen des Tages und bilden eine Art Föhnmauer vor, d.h. von mir aus gesehen hinter der Werra, dort, wo der Wind quer auf dem Grat steht. Also will ich auf dem Rückweg die Ostroute probieren und fliege nach Nordosten, Richtung Bad Sooden-Allendorf, ab. Leider brauche ich für die 15km dorthin 1000m, meine Ankunftshöhe auf die Aue ist fast auf 0 zurück gegangen, und das erhoffte Steigen finde ich nicht. Schweren Herzens drehe ich also um und fliege zurück in die Meißnerwelle. Bei 1700m steige ich unten wieder ein und sitze das Steigen für eine zweite halbe Stunde aus, bis ich wieder oben dran bin. Thomas Meder hat mittlerweile den Twin aus der Witzenhäuser Halle geholt und sich in "meine" Welle schleppen lassen, wo wir gegenseitig ein paar Fotos von uns schießen.
Weiter im Südosten sieht man den Großen Inselsberg im Thüringer Wald, mit einer Föhnmauer auf der Luvseite. Aber es ist schon 15 Uhr, die Sonne geht bald unter, und ich habe genug Abenteuer gehabt für heute. Und noch bin ich ja nicht zurück. 50km Strecke liegen noch vor mir, der Wind weht immer noch mit 50km/h, und auf dem Rückweg habe ich eine leichte Gegenwindkomponente. Der intelligente Rückweg ist mir jetzt egal, und ich fliege direkt auf Kurs durch das Flache. Mein Rechner sagt, das ich eine Gleitzahl von 18 benötige, und das ist auch das, was ich tatsächlich habe. Das ist bei der Entfernung zum Ziel, bei dem starken Wind und bei Wellenbedingungen noch keine sichere Bank, und so bin ich noch nicht davon überzeugt, dass es reicht, und taste ich mich vorsichtig voran. 15km vor der Aue wird das Sinken schwächer, am Seeburger See zuckt die Variometernadel sogar einmal ins Plus, und am Platz habe ich dann doch noch 1000m über Grund. Zum Wiedereinstieg in die Harzwelle reicht das nicht mehr, ohnehin wird es bald dunkel. Ich fliege also noch ganz entspannt die Höhe ab und lande ziemlich gut gelaunt nach 6 Stunden November-Wellenflug wieder in der Aue.
Fazit: Wenn es am Acker für FL100 reicht, ist der Hohe Meißner erreichbar, zumindest mit 18m Spannweite. Von dort ist es ähnlich weit entweder bis in den Thüringer Wald, allerdings dann gegen den Wind, oder in die Rhön. Das rückt interessante Wellenstreckenflüge bei Ost-/Südostwind in greifbare Nähe. Die Flugroute zwischen Harz und Hohem Meißner ist sicher noch optimierbar. Etwas mehr Feuchte und ein paar Rotorwolken auf dem Weg würde die Routenwahl deutlich erleichtern. Man darf gespannt sein, was da noch geht.
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