27.12.2015: Witzenhausen - Pennewitz - Witzenhausen
Der Wind soll werden wie gestern. Das stimmt auch, mit 270° und 70 km/h ist er fast gleich stark, aber kommt noch etwas mehr aus Westen. Die Feuchtigkeit ist größer als gestern, so dass es ausgeprägte Rotorbänder gibt mit Föhnlücken dazwischen, die auch so aussehen wie Föhnlücken.
Wir wollen die Schmach von gestern nicht auf uns sitzen lassen und heute wieder probieren, in den Thüringer Wald zu fliegen, allerdings mit Rückkehr aus eigener Kraft. Wir sind zu dritt heute von der Akaflieg Frankfurt, Robert Fromm fliegt mit mir im Duo-Discus und Philipp Illerhaus mit der LS-4.
Über Hedemünden steht eine beeindruckende Rotorwolke, unterhalb derer wir ausklinken. Wir steigen dort auf 1800 m und folgen der Werra flussaufwärts Richtung Meißner. Dort gewinnen wir in nur 3 Schlägen 800 Höhenmeter mit einem Steigen zwischen 1.0 m/s und 1.5 m/s. Anders als die Tage zuvor ist der weitere Weg nach Südosten durch ausgedehnte Rotorbewölkung gut gekennzeichnet. Über dem Werratal ist zwischen zwei Rotorbändern eine gut ausgeprägte Föhnlücke erkennbar, allerdings scheint es sich dabei schon um eine sekundäre Welle zu handeln, und wir folgen der primären Lücke jenseits der Hügel südwestlich des Werratals. Ohne die Bewölkung hätten wir diese Route nicht gewählt, sondern wären der klassischen Route über der Werra gefolgt. Das macht Philipp später mit der LS-4, der am Kaufunger Wald zunächst auf beruhigende 3000 m steigt, bevor er sich auf das Abenteuer Thüringer Wald einlässt.
Auf unserer Südroute kommen wir ohne Höhenverlust bis kurz vor Eisenach voran. Dort hört die tragende Linie zunächst auf, dennoch passieren wir die Wartburg in beruhigenden 2300 m Höhe. Die Bewölkung am Thüringer Wald ist genau wie gestern: Im Lee ist es komplett wolkenlos, während über dem Kamm aufgelockerte Staubewölkung erkennbar ist. Heute wollen wir auf diesen Trick nicht erneut hereinfallen und wir folgen der Waldkante südöstlich von Eisenach in Richtung des Großen Inselsberges, in dessen Lee wir hoffen wieder zu steigen. Tatsächlich finden wir dort nur eine schwarze Null vor, gewinnen während einer viertelstündigen Suche an 3 verschiedenen Stellen ganze 100 m zu den 2000 m dazu, mit denen wir dort angekommen sind, und fliegen etwas enttäuscht weiter Richtung Crawinkel. Philipp ist derzeit mit der gleichen Höhe auf der Werratalroute südöstlich von Eschwege in Treffurt angekommen, findet dort aber auch nur eine schwarze Null vor. Es ist gerade erst einmal 11.00 lokaler Zeit, und es bleiben noch 5 Stunden Flugzeit, bevor es dunkel wird.
Östlich des Flugplatzes Crawinkel stolpern wir in gutes laminares Steigen, in dem wir bis auf 3000 m steigen können. Gleichzeitig findet Philipp, der mittlerweile die letzte Rotorwolke unserer Südroute angeflogen hat, kurz vor Eisenach gleichermaßen gutes Steigen, in dem er auch bis auf 3000 m steigen kann. Mit dieser Höhe folgen wir einer tragenden Linie, die bis fast an den Flugplatz Pennewitz reicht, drehen dort um und fliegen zurück in das Crawinkler Steiggebiet. Philipp ist am Großen Inselsberg erfolgreicher als wir und steigt etwa 5 km südöstlich unserer erfolglosen Versuche auf 3000 m. Auf seinem Flug von dort nach Crawinkel, wo er dann umkehren wird, begegnet er uns mit Gegenkurs in 2800 m auf gleicher Höhe, allerdings sind wir bereits auf dem Rückweg. Es ist 11.30 Uhr, es bleiben immer noch viereinhalb Stunden für den Rückweg, der mit deutlicher Gegenwindkomponente von 40 km/h der schwierigere und spannendere Teil unseres Unterfangens ist.
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Wir legen den Rückweg weiter hinaus ins Flache, da wir auf dem Hinweg zwischen Großem Inselsberg und Crawinkel keine tragende Linie gefunden haben. Leider ist diese alternative Route auch nicht besser. Bei dem westlichen Wind, den wir haben, ist wohl gar nicht der Hauptkamm der Wellenauslöser, sondern die tieferen Quertäler, so dass das Steigen wohl eher punktuell über dem Nordosthang des Thüringer Waldes zu finden gewesen wäre. Die Flüge von Michael Krannich aus Alkersleben, Manfred Materne aus Bad Berka und nicht zuletzt der von Philipp scheinen diese Interpretation zu bestätigen. Das wird uns aber erst in der Nachbetrachtung am häuslichen Schreibtisch klar werden, nicht während des Fluges im Cockpit.
So kehren wir reumütig auf unsere alte Linie zurück und nehmen den uns bekannten Nullschieber am Großen Inselsberg in jetzt nur noch 2100 m Höhe mit, während 15 km hinter uns Philipp in seinem Steiggebiet am Inselsberg, das wir großräumig nördlich umflogen haben, gemütlich wieder auf 3000 m steigt, um die Durststrecke hinüber ins Werratal gelassener als wir angehen zu können.
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Wir dagegen sinken hinter Eisenach vorübergehend unter 1500 m. Die schöne Rennstrecke vom Vormittag, die uns so schnell an den Thüringer Wald gebracht hat, ist jetzt weggetrocknet. An ihrer Stelle stehen nur noch ein paar vereinzelte Rotorwolken weiter leewärts über dem Werratal, und wir beschließen, denen zu folgen anstatt auf unserem alten Flugweg zurück zu fliegen. Wir probieren alle Rotorwolken aus, alle gehen ein bisschen, aber keine richtig gut, und mühsam und langsam tasten wir uns gegen den Wind bis kurz vor Eschwege zurück, immer im Höhenband zwischen 1200 m und 1500 m. Dort ist es dann auch mit den Rotorwölkchen vorbei, und wir versuchen den direkten Endanflug, den wir bewusst über die Talmitte bei Bad Sooden-Allendorf legen, in der Hoffnung, dort die Sekundärwelle des Hohen Meißner zu erwischen. Unsere Abflughöhe ist dabei bei gut 30 km Entfernung nach Witzenhausen und bei dem Gegenwind nicht allzu komfortabel.
Philipp steigt derweil auf seiner und unserer alten Linie bei Creuzburg wieder auf 2600 m, nur 2 km luvseitig unserer neuen Linie, auf der wir leeseitig am Steigen vorbei geflogen sind. Er findet auch das Steiggebiet bei Treffurt besser als wir, obwohl wir nur 500 m bis 1000 m versetzt geflogen sind, und er findet auch die Sekundärwelle des Meißner. Die steht nämlich heute gar nicht über dem Tal, sondern leeseitig und etwas südlich versetzt über den Bergen. Leeseitig wegen der hohen Windgeschwindigkeit und südlich wegen der starken Westkomponente des Windes.
Zuvor haben wir uns jedoch über Bad Sooden-Allendorf versenkt, wo wir in niedriger Höhe starkes Sinken und Rotorturbulenzen vorfinden statt der erhofften Sekundärwelle. So ändern wir den Plan, fassen ein großes, gut geeignetes Außenlandefeld in der Werraschleife ins Auge, fahren vorsorglich das Fahrwerk aus und versuchen als letzte Option den Hang am Höheberg. Einen Turbo, wenn wir einen hätten, müssten wir jetzt schon längst gezündet haben. In 300 m Höhe über Grund queren wir das Werratal von der Luv- auf die Leeseite, der Höheberg geht, und wir achten uns von unten nach oben an der Teufelskanzel vorbei, winken dabei freundlich den Ausflüglern zu, denen wir sicher ein schönes Schauspiel bereiten, und fahren, als wir über der Hangkante ankommen, das Fahrwerk wieder ein. Gut 200 m Höhengewinn am Höheberg, der seinem Namen alle Ehre macht, reichen, um die letzten 9 km mit Hangwindunterstützung zurück zu fliegen. Es ist noch eine Stunde hin bis zum Sonnenuntergang, aber wir sind beide froh, wieder zuhause zu sein, und landen ziemlich erleichtert auf dem Burgberg in Witzanhausen.
Philipp landet eine Stunde nach uns. Durch den wesentlich entspannteren Rückflug motiviert, hat er noch einen Ausflug bis zur Werratal-Autobahnbrücke bei Hedemünden gemacht und es sich dabei gut gehen lassen.
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