Harzwelle/SW (Südwest) mit Einflug in therm. Streckenflug
- Name/Bericht
- Rickmer Bothe
Datum
- 21.04.2012
- Windrichtung
- SW (Südwest)
- Ort des Wellensteiggebietes
- Harzwelle
- Auslöser
- Brocken
- Erreichte Höhe
- 4500 m
OLC-Strecke mit Welle und Thermik
556 km
- Zeit-Bezugssystem
- UTC
- Höhen-Bezugssystem
- QNH
- Weitere Daten
-
Verein: LSV Goslar Flugzeugtyp: EB 28 ed Co-Pilot: Cristian Giesecke
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------------------- Startort: Goslar/Bollrich 270 MSL Startzeit: 05:55 Landeort: Goslar/Bollrich Landezeit: 16:12 ------------------- Bodenwindrichtung: SW Bodenwindstärke: ca. 10 - 15 km/h ------------------- Einstieg in die Welle/n: Brockenwelle siehe IGC-file Einstieg(e) aus: Eigenstart Einstieg(e) in Höhe: 1700 MSL um 06:09 Angetroffene Steigwerte: max. bis 2,3 m/s Erreichte Höhe(n): 4500 MSL um 07:19 Ausdehnung des Steiggebietes: Ortsfest, 1. und 2. Schwingung wie RASP-Vorhersage,fast exakt eingetroffen! ------------------- Vermuteter Auslöser: Brocken (ziemlich sicher**) ------------------- Höhenwindrichtung(en): ca. 220 -240 Grad Höhenwindstärke(n): in 4000 MSL ca. 50 bis 55 km/h Temperaturangaben: Boden/Start + 9,5 Grad 4500 MSL um 07:19 -21,1 Grad (beide Messungen Thermoaussenfühler) Einflug in die Thermik um 08:40GMT in 1140 MSL 12 km östlich Luckenwalde, erste Thermik nach ca. 200km,+0,5 bis +0,8m/s.
- Freier Bericht
Welle und Thermik verbinden- ein erster Streckenflugversuch
Aus der Harzwelle zum Streckenflug starten mit Einflug in die morgendlich beginnende Thermik über dem Fläming
Die Idee
Mit dem Start zum Streckenflug aus Goslar ist das so eine Sache.
Über dem Harz geht es an der einen oder anderen Stelle gelegentlich schon früh los, aber es ist schwierig darin feste Regeln zu finden. Entsprechend problematisch ist es, am Morgen zeitig für den Streckenflug zu starten, u.a. auch dadurch das der Einflug in die thermisch früh aktiven und guten Bereiche wie Heide, Fläming oder Thüringerwald meistens beim frühen Abflug durch sehr lange „Durststrecken“ führt.
Wir hatten deshalb schon seit einiger Zeit die Idee, mit der mehrfach deutlich vor Konvektionsbeginn beobachteten Brockenwelle (Abb. 1) einen frühen Aufstieg und anschließenden Gleitflug in die beginnende Thermik zu versuchen.
Für Samstag, den 21.4. 2012 sahen die Vorhersagen dafür gute Chancen. (Abb. 2 und 3 RASP-Wellenvorhersage Harz)
Die Prognosen des Vortages (20.4.2012)
Am Freitag hatten die Thermikvorhersagen für die Bereiche Fläming bis Erzgebirge und östlich bis an die Oder gute Bedingungen bis ca. 600 km gezeigt. Gleichzeitig sollte es laut RASP die Brockenwelle bis 4000 m und mehr mit relativ guten Steigwerten in den frühen Morgenstunden geben. Mit/vor einsetzen der Konvektion sollte die Welle dann enden.
Die Vorhersage von Topmeteo sah für die Thermik den stärksten Bereich auf einer NNW-SSO Linie, die im laufe des Tages im o.g. Vorhersageraum nach Osten zieht. Dabei sollte die Schauertätigkeit erst am Nachmittag local einsetzen und ohne all zu starke Bewölkung im oberen Bereich(Abschirmung) ablaufen, alles in allem für einen Streckenflug noch beherrschbar bleiben. Die Prognosen von PC-met waren ähnlich.
Die Vorhersage und der Plan am Flugtag
Am frühen Morgen zeigte die Thermikvorhersage in beiden Diensten eine insgesamt etwas schwächere thermische Entwicklung und eine ehr flächige Verteilung der Möglichkeiten für den Bereich Fläming und die östlichen und südlichen Teile des Gebietes, mit Zentrum im südöstlichen Teil voraus. (Abb. 4 und 6)
Leider kann die Wellenvorhersage von Cosmo beim frühen Start nur sehr begrenzt benutzt werden, die neue Vorhersage kommt erst nach 6:00 Uhr loc und im Vorlauf des Updates sind keine Anzeigen vorhanden. Der Wellenteil des Fluges sollte daher auf der Basis der RASP -Vorhersage erfolgen. (Abb. 2+3)
Aus der Harz-Welle sollte der frühe Anflug in den Fläming erfolgen und dort mit der beginnen Thermik ab ca. 08:30 UTC der Flug Richtung Frankfurt/Oder fortgesetzt werden. Von dort, entlang der Grenze zu Polen weiter mit Südkurs bis an die tschechische Grenze/Zittauer Gebirge. Für den geplanten Rückflug vom Zittauer Gebirge entlang dem Erzgebirge und später Thüringer Wald sollte westlich zunehmende Schauertätigkeit herrschen. Das war der Schwachpunkt des Plans, die Intensität und der Zeitpunkt der Überentwicklung! Aber mit etwas Glück könnte der Rückflug knapp vor der stärksten Entwicklung erfolgen – haben wir gehofft! (Abb. 7 Topmeteo Wolken 15:00 UTC)
Der Flug
Der Flugplatz empfing uns kurz nach 5:00 UTC mit einer herrlichen Lentisentwicklung, genau so, wie RASP das vorhergesagt hatte(Abb.1)!
Der Start erfolgte um 05:55 UTC, die vorabendliche Vorbereitung zahlte sich aus. Der Einstieg in die Brockenwelle war völlig problemlos und es gab fast durchgehend Steigwerte über 1,0m/s, in Spitzen bis 2,3 m. Die erste Freigabe bis FL 130 und kaum 10 Minuten später bis FL 160 bekamen wir von Bremen-Radar in kürzester Zeit! (Danke an die Damen und Herren in Bremen)
Bei etwa 4000 MSL ließ die Brockenwelle nach. Die Verlagerung in die 2. Schwingung, genau wie auf dem RASP-Schnitt ersichtlich, brachte noch mal gutes Steigen bis über 4500 MSL. Allerdings war es in der Höhe mit minus 21 Grad dann auch richtig unangenehm, die Frage der richtigen Bekleidung bei solchen Flügen (erst hoch und sehr kalt und dann viele Stunden in deutlich höheren Temperaturen in der Thermik) stellt sich wieder neu!
Gegen 07:20 UTC ging das Steigen auf 0,3 bis 0,4 zurück. Der zeitliche Ablauf bei RASP hatte das so auch vorhergesagt. Die Lenticularisbewölkung hatte sich zwischenzeitlich weitgehend aufgelöst. (Abb. 8 Satbild 06:00 UTC)
Es passte jetzt alles, um zum richtigen Zeitpunkt bei Beginn der Thermik im Fläming an zu kommen. Nach kurzer Rücksprache und Freigabe aus Bremen flogen wir auf Kurs 70 Grad ab. Nördlich vorbei an Halberstadt erreichten wir die Südkante von Magdeburg in ca. 3300 MSL. Nach weiteren 40 Km auf Kurs erreichten wir dann um 08:00 UTC den nordwestlichen Fläming in ca. 2500 MSL. Über uns waren bis jetzt nur einige, wenige Cirren, voraus, tief unter uns konnte man die ersten, ganz leichten Cu-Fetzen erahnen.
Bei jetzt nicht mehr kontrolliertem Flug waren wir freier in der Kurswahl und konnten dem Fläming Richtung Ost folgen. Der spannende Moment und eine Premiere, der Einflug in die ganz frühe Thermik von oben, rückte näher. Mit Kurs 90 Grad ging es südlich an Lüsse vorbei, wir konnten dort noch keinen Betrieb erkennen. Voraus nahm die Zahl der kleinen Cumuluswolken zu.
Etwa 12 km östlich Lukenwalde, um 8:40 UTC in ca. 1000 MSL hatten wir mit +0,6m/s im Geradeausflug die erste Thermik. Um 09:00 UTC, schon östlich der Autobahn Berlin - Dresden hatten wir dann den ersten 2m-Bart bis auf 1200 MSL.
Es hatte geklappt, über die Harzwelle in die frühe Thermik vom Fläming, eigentlich hatten wir den sogar schon praktisch hinter uns.
Um 09:30 UTC hatten wir dann kurz vor Eisenhüttenstadt die erste Wende, fast 250 km Strecke um diese Zeit, das könnte ein richtig guter Tag werden!
Der Kurs Richtung Süd, entlang der Grenze zu Polen zeigte zwischen der CU -Bewölkung teilweise größere Lücken. Auch die Thermik war nicht immer richtig rund, trotz der eigentlich immer wieder guten Wolken-Optik. Der Gegenwind tat sein übriges, wir kamen nicht so schnell vorwärts wie gewünscht. UM 10:10 UTC, querab Cottbus, hatten wir 50 km von der 1.Wende einen Schnitt von 75 km/h, das sollte eigentlich mehr sein.
Nach weiteren ca. 80 km zwischen Bautzen und Zittau um 11:30 UTC waren wir nur noch mit 60 km/h voran gekommen. Der erste Schauer hatte einen Umweg und Zeit gekostet (Abb.9 Satbild). Die Bewölkung nahm weiter deutlich zu, wir entschlossen uns nicht mehr Richtung Riesengebirge weiter zu fliegen und gingen auf Kurs WSW Richtung Erzgebirge. Die Basis stieg bis auf über 1800 MSL, die Steigwerte gingen teilweise auf über 2m/s. Allerdings hatten wir nördlich von uns jetzt auch eine lange Schauerlinie, der Wind kam mit 35 bis 40 km/h genau von vorne.
Aus Goslar erfuhren wir zudem, das der westliche Teil des Erzgebirges inzwischen eine Vielzahl deutlicher Überentwicklungen zeigte. Diese waren laut Satbild sehr kurzfristig entstanden (Abb. 9 Satbild).
Eigentlich hatten wir vor, genau die Südkante des Erzgebirges entlang zu fliegen. Am Boden in Tschechien sollte der Wind mehr südlich stehen und laut Vorhersage Topmeteo sollte das Prager Becken deutlich weniger Überentwicklungen haben.
Aber schon deutlich vor Teplice mussten wir wegen Schauertätigkeit nach Norden ausweichen. Um 13:00 UTC waren wir 20 km südlich von Dresden und hatten in den letzten 1,5 Stunden gerade mal 75 km zurückgelegt! Das ließ nichts Gutes ahnen. Wir änderten den Kurs jetzt etwas weiter Richtung Nord, vielleicht könnte es im Lee des Erzgebirges gelingen, im Thüringer Becken einen Weg durch die Schauer zu finden.
Aber auch auf diesem Kurs zwangen uns die Überentwicklungen jetzt durch Niederschlag zu fliegen, Regen, Schneeregen und Hagel/Graupel, das gesamte Programm durften wir erleben! Die Luftmasse hatte schlagartig förmlich übergekocht. Ein langer Geleitflug von über 50 km brachte uns östlich Chemnitz bis zur A4. Dann ging es mühsam in 20 Minuten wieder von 900 auf 1500 hinauf. Die Bewölkung bestand fast nur noch aus Schauerzellen, verbunden mit großflächigen Abschirmungen (Siehe Abb. 7 Vorhersage und 7a die Tatsachen während des Fluges).
Um 14:20 UTC waren wir schließlich ca. 15 km südöstlich von Leipzig. Für die 150 km von der letzten Wende bis hier her hatten wir über 2,5 Stunden gebraucht. Zu allem Übel sahen wir die einzigen, evtl. erreichbaren Wolken die noch Thermik versprachen auch noch mitten in der Kontrollzone von Leipzig. Um 14:30 UTC war der Segelflugteil dann zu Ende. (Abb. 5 tatsächlich geflogener Weg auf Toptherm)
Mit Motor konnten wir diverse Schauer umfliegen und waren um 16:12 UTC zurück in Goslar. Wenigstens zur Landung gab es eine kurze Regenpause am Platz.
Fazit
Es war ein hochinteressanter, ereignisreicher und sehr spannender Flug. Der Übergang von Welle zur Thermik hat wirklich gut geklappt. Leider hat uns die Labilität mit den Überentwicklungen zu früh erwischt, das entsprach leider nicht ganz den Vorhersagen.
Aber die in den letzten Jahren immer wieder beobachteten, frühen Wellen am Harz können Gelegenheiten für einen außergewöhnlich frühen Start in einen Thermiktag und eine Chance für große Strecken bieten. Es lohnt sich sicher solche Wetterlagen weiter genau zu beobachten und zu nutzen.
April 2012
Jens und Rickmer Bothe
D-KRBA
Nachtrag:
Mit Abb. 10 haben wir eine grafische Darstellung der während des Fluges aufgezeichneten Messdaten beigefügt. Besonders dank der Arbeit von Eggert Ehmke ist das Messprojekt um das Auswertungsprogramm „Wavemeter“ erweitert.
Das Messprojekt in der BA hat hier und da noch einige (…etliche) Kinderkrankheiten und auch Eggert will das Programm noch weiterentwickeln.
Bereits jetzt können wir aber schon erste, interessante und für uns teilweise neue Beobachtungen feststellen. Schon bei einigen Wellenflügen haben wir mehrfach deutlich Schwankungen der Feuchte festgestellt. So auch hier. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die einzelnen Schwingungen u.a. mit den Feuchteänderungen in Verbindung stehen. Das allein kann aber, wie auch in diesem Beispiel erkennbar wohl nicht als Begründung reichen. Besonders der Sprung der Feuchte zwischen der 1. und 2. Schwingung fällt mit einer Differenz von mehr als 20% recht heftig aus. Ähnlich auch die kurzfristige „Trocknung“ bei Magdeburg.
Für Beiträge, Hinweise oder Kommentare zu diesem Thema oder auch zu anderen Fragen des Fluges sind wir dankbar. Dazu könnten wir auch unser neues Forum gut benutzen.
Zur besseren Beurteilung noch folgende Abbildungen:
Abb. 11 Aufstieg Bergen 06:00 UTC
Abb. 12 Konvektionsbeginn Nordharz 09:25 UTC
Abb. 13 Wetteroptik am Platz Goslar um 16:12 UTC währendder Landung
Abb. 14 Vom gleichen Standort das Wetter ca. 30 Minuten nach der Landung
Das letzte Bild ist nur wegen der beindruckenden Schönheit mancher Wettererscheinung dabei!
Abb. 15 Doppelter Regenbogen vor dem Nordharz und Brocken um 18:00 UTC
PS. Die mangelnde Chronologie bei der Nummerierung der Abbildungen bitte ich zu entschuldigen!
Rickmer Bothe
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