Goslar/Harz bis Thüringer Wald/SW (Südwest)
Name
- Jens Rickmer Bothe
- Datum
- 06.09.2011
- Windrichtung
- SW (Südwest)
- Ort des Wellensteiggebietes
- Wellensysteme von Goslar/Harz bis Thüringer Wald
- Auslöser
- Siehe Bericht und RASP Karten
- Erreichte Höhe
- bis 4000m MSL
- Geflogene Strecke im Wellensystem
- ca. 220 Km
- Zeit-Bezugssystem
- UTC
- Höhen-Bezugssystem
- QNH bzw. 1013,2
- Weitere Daten
-
Verein: LSV Goslar Flugzeugtyp: ASH25e/26 ------------------- Startort: Goslar/Bollrich Platzhöhe 270 ü.N.N. Startzeit: 09.22 UTC Landeort: Flugplatz Nordhausen Landezeit: 17.15 UTC ------------------- Bodenwindrichtung: Goslar 220 Grad Bodenwindstärke: Böig ca. 20 bis50 km/h ------------------- Einstieg in die Welle/n: 1) Ilsenburg/Brocken 2) Goslar bis westl.Ende Harz 3) Südöstlich Gandersheim 4) Südöstlich Northeim 5) Südlich Göttingen/Friedland 6) NW-Rand Eschwege ------------------- Geflogene Strecke im Wellensystem: ca. 220 km -------------------- Für jedes Wellensystem: Einstieg(e) aus: Winde/Turbo Einstieg(e) in Höhe: Angetroffene Steigwerte: Erreichte Höhe(n): Siehe Bericht unten ------------------- Vermuteter Auslöser: - " - ------------------- Höhenwindrichtung(en): 210 bis 220 später oben bis 240 Höhenwindstärke(n): 70 bis 85 km/h Temperaturangaben: siehe Bericht
-
Hinweis Lufträume:
Alle Teile des Fluges im kontrollierten Luftraum oder ab FL 100 sind mit Transponder und entsprechender Freigabe durch
Bremen erfolgt. An dieser Stelle herzlichen Dank nach Bremen an die beteiligten Fluglotsinnen und Lotsen für das Verständnis sowie die hilfreiche und freundliche Betreuung während des gesamten Fluges!
Flugbericht zum 6.9.2011 D-KBBA
Der erste Wellenstreckenflug von Goslar zum Thüringer Wald
Es sollte eigentlich ein herbstlicher Thermikflug werden, das zumindest war nach den Wettervorhersagen für den Dienstag geplant. Für den Harz waren die Vorhersagen ehr schwach, aber im Thüringer Wald und östlich davon hatte PC-Met von bis zu 500 km gesprochen.
Am 5.9. sahen dann die Karten bei RASP aber auch deutliche Wellen im Bereich Harz/Thüringer, also sozusagen „Wetter zum aussuchen“!?
Es entwickelte sich die Idee, erst thermisch zu fliegen und dann am Nachmittag evtl. im Bereich Thüringer in die Welle einsteigen und damit den Rückflug machen. Soweit der abendliche Plan, aber es sollte anders kommen.
Da wir also eigentlich zunächst auf Thermik programmiert waren, konnten noch ein paar kleine Blessuren am Flieger durch „Pilot Owner“ erledigt werden und dann sollte es losgehen.
Der Blick an den Himmel (Abb. 1) zeigte aber bald deutlich, das mit der Thermik wird wohl nicht so üppig. RASP hat gewonnen, es läuft auf die Welle hinaus. Der Wind am Platz sehr böig aus 210 Grad mit 20 bis 50 km/h, der Brocken meldet in Böen sogar bis 106 Km/h.
In Abb.2 ist die Vorhersage nach PC-Met und in Abb.3 die Planung für Thermik hin und Welle zurück zu sehen. Direkt vor dem Start wurde endgültig klar, wenn dann läuft es auf Welle Hin- und Zurück hinaus.
Um 9.23 UTC sind mein Co-Pilot Tim und ich dann nach den üblichen Vorbereitungen für Wellenflüge endlich bei stark böigem Wind gestartet. Das Harz-Lee hat auch gleich gezeigt wie man die Flächen einer 25 biegen kann. Deshalb mit dem laufenden Turbo erst nach Norden ausweichen und über Ilsenburg in die Brockenwelle.
Ab etwa 1400 MSL und nach fast 50 Minuten geht es schließlich ohne Motor mit Werten zwischen +1 und +3m nach oben. Wir melden uns in Bremen und erhalten vom zuständigen Lotsen die erste Freigabe auf FL 150.
In 3000MSL ist trotz herrlicher Wellenoptik zunächst das erste Steigen vorüber. Nach kurzer Pause geht es mit Werten um +1,0 m etwas mühsam auf gut 3600MSL, obwohl die Lentis deutlich höher stehen.
Westlich von uns, über Goslar, baut sich auch eine mächtige Lentis (Abb. 4) auf und nach einigen vergeblichen Versuchen am Brocken auf größere Höhe zu kommen entscheiden wir uns zum Kurs entlang der Harzlee-Kante Richtung West, Bremen ist damit auch einverstanden. Im Süden stehen auch diverse Lentis, vielleicht klappt es ja heute mit einem Wellenflug um den Harz herum zum Meißner und weiter (Abb.5).
Teilweise trägt es gut und wir folgen der Linie am westlichen Ende des Harzes weiter über die Autobahn bis nordwestlich Rüden. Hier entscheiden wir uns dann doch für einen neuen Kurs, SO nach Seesen, den uns der Lotse wieder genehmigt. Dabei stützen wir uns auch auf die vor dem Flug noch schnell ausgedruckte Rasp-Karte. Ein schwaches Steigen in 2300 MSL über Seesen will nicht so recht und wir setzen ein weiteres Mal 600 Höhenmeter in Richtung Süden ein.
In 1700 MSL, auf halbem Weg nach Northeim, finden wir dann +0,5 bis +1,0m , Bremen Radar gibt uns wieder frei bis FL130. Endlich, nach fast einer Stunde sind wir zurück auf 3300MSL.
Mit Kurs 180 Grad geht es bei fast 80 Km/h Gegenwind östlich vorbei an Northeim. In 2700MSL finden wir dann wieder +0,5, später ansteigend auf gut 1,0 m/sec. Wir steigen bis fast genau 4000MSL. Während wir diesen Aufstieg machen, können wir zurückblicken und sehen die Harz- und Brockenwelle, aus der wir vor fast 3 Stunden abgeflogen sind(Abb. 6).
Östlich von uns blitzt jetzt der Seeburger See zwischen den unter uns liegenden Cumuluswolken hindurch. (Ob unter den Cu wohl die von PC-Met angesagte Thermik ist?) Über der unteren Bewölkung spannt sich die hohe Lentis-Bewölkung mit einigen Cirrus-Begleitern, aber auch in 4000m sind wir von der hohen Bewölkung und den Lentis noch weit entfernt (Abb. 7). Ein immer wieder beeindruckendes Panorama, besonders aus einem Segelflugzeug.
Um 14.30 UTC mit Kurs 190 Grad überfliegen wir jetzt Göttingen in 3400MSL mit einer tragenden Linie. Auch südlich von Göttingen geht es kilometerweit ohne Höhenverlust vorwärts, wobei vorwärts hier bei vom Fahrtmesser angezeigten 140 km/h maximal eine Groundspeed von 80 bis 90 bedeutet!
In der Nähe von Friedland, in 3100 MSL, finden wir ca. +0,5m und steigen auf 3400MSL. Diese schwachen Steigwerte saugen die Zeit förmlich auf. Im Westen ist jetzt eine hohe Schichtbewölkung zu erkennen, wohl die Vorboten der aufziehenden Front, immer dasselbe…(Abb. 8)
Zwischen Burg Hanstein und der Autobahn erreichen wir das Werratal. Wir melden uns bei 2800MSL mal wieder in Bremen ab. Freundlicherweise bietet uns der mittlerweile 3. Lotse (in diesem Fall eine Controllerin) sogar an, uns nach Langen oder München weiterzureichen. Wollen würden wir schon gerne....!
Im Werratal haben wir eigentlich auch große Hoffnung auf eine solide Welle, RASP hat hier für heute sehr gute Steigwerte vorhergesagt. Die vielen Berichte aus Eschwege über diese Ecke sind uns auch noch in guter Erinnerung, also vielleicht geht ja noch was!
Leider ist Realität ernüchternd, das Vario will einfach nicht über Null!
Entlang der Werra fliegen wir nun mit SO-Kurs (Abb.9 ) und einer ordentlichen Rückenwindkomponente der inzwischen mehr westsüdwestlichen Strömung vorbei an Allendorf und kommen in 2300MSL in Eschwege an. Die Föhnlücke meinen wir gut zu erkennen und am westlichen Ortsrand Eschwege finden wir auch +0,5 bis +1,0m, aber in 2700MSL ist wieder Ende. Es ist 17.30 Ortszeit, also noch gut 2 Stunden bis SS.
Über uns ist der Himmel mehr und mehr mit einer hohen Schichtbewölkung zugezogen und nur im Südosten, Richtung Thüringer Wald, sind noch Wellenkonturen innerhalb der Schichtbewölkung sichtbar(Abb.10 ). Die Front wird immer bestimmender. Vom Boden aus Goslar hören wir, das Niederschlags-Gebiet ist noch gute 100 Kilometer westlich und kommt nur zögerlich voran. Wir versuchen es also: Mit einer satten Rückenwindkomponente und Kurs etwa 110 Grad geht es Richtung Mühlheim. Südlich der Stadt finden wir in 2200MSL noch mal schwaches Steigen, aber es geht wieder nicht wirklich über Null - dann wieder weiter.
Einige Kilometer weiter östlich, in 1800MSL setzen wir alles auf die letzte Karte und gehen auf Südkurs, direkt Richtung Leekante Thüringer Wald. Nun fliegen wir wieder mit deutlicher Gegenwindkomponente, dabei bleiben wir aber westlich von Gotha. Die Luft wird unruhiger, erste Rotorttendenzen sind zu fühlen. Wir durchfliegen stärkeres Sinken, dann wieder streckenweise tragende Bereiche.
Schließlich überfliegen wir kurz nach 16.00 UTC in etwa 1200 MSL die Autobahn Eisennach-Erfurt, finden noch mal kurz Ausschläge bis +1,0 m, die sind aber für uns nicht zu erfliegen.
Wir setzen die letzte Höhe ein und fliegen ca.10 km in einer schwach tragenden Linie mit SO Kurs weiter. Wir kommen bis etwa 6 km vor Crawinkel, aber es ist kein Einstieg mehr zu finden. Die Wolkenoptik zeigt zwar in der Höhe noch Wellencharakter, aber wir sind jetzt mit kaum 500 m GND (900 MSL) wohl auch zu tief bei dem Stand der Wetterentwicklung (Abb. 11).
Es ist 16.22 UTC als wir nach fast 220 km Strecke das Triebwerk starten und Richtung NNW umdrehen.
Leider führt die Rechtsdrehung des Windes nun dazu, dass die Rückenwindkomponente ehr schwach bleibt. Zusätzlich stellen wir nach einiger Zeit fest, dass aus dem Flächentank doch weniger Benzin nachläuft als geplant, es gibt also die Zugabe: „Landung nicht in Goslar“.
Mit der verbleibenden Motorlaufzeit nehmen wir zunächst Kurs auf den Platz Aue /Hattdorf bei Osterode. Dabei versuchen wir während der Triebwerkslaufzeit die Windkomponente heraus zu fliegen um im Gleitflug den Wind auf unsere Seite zu bekommen. Wir wollen die Rückholstrecke möglich kurz halten, aber über Grund geht es nur mit mäßigen 90 bis 100 km/h voran. Südlich Mühlhausen wird dann klar, das wird wahrscheinlich sehr eng mit der Höhe für Hattdorf und wir setzen nun um in Plan B: Neuer Kurs mit deutlicherem Rückenwind auf Nordhausen.
Inzwischen ist es bei 8/8 mehr und mehr eingetrübt und östlich von Mühlhausen beginnen wir nach dem einfahren des Triebwerkes um 16.50 UTC aus 1300 MSL unseren Endanflug nach Nordhausen. Die Groundspeed ist jetzt wieder bei freundlichen 160 bis 180 Km/h!
In 1000 MSL sehen wir den Platz Nordhausen, gleichzeitig lockt noch mal der Rechner und zeigt einen möglichen Gleitpfad zum Flugplatz Ballenstedt mit -30m bei 38 Km Distanz an. Dazwischen liegt allerdings der Harz und bei dem starken WSW steigt das Riskio bei einer so tiefen Überquerung. Vielleicht ginge ja noch was am Harz, aber es sind auch nur noch knapp 40 Minuten bis SS.
Wir lassen uns nicht verführen, nutzen die Höhe und sehen uns den nicht besetzten Platz in aller Ruhe an. Da wir die Boden-windstärke nicht kennen, entschließen wir uns den Platz etwas diagonal zu nutzen und haben aber dafür bei der Landung den Wind genau auf der Schnauze. Um 17.12 UTC, nach fast 8 Stunden Flugzeit sind wir in Nordhausen am Boden.
Freundlicherweise hat die Firma Mc D. fußläufig vom Platz extra eine Service-Station errichtet, so können wir die Wartezeit bis zum Eintreffen des Rückholers gut überbrücken!
Das nächtliche Abrüsten und eine regnerische „Harzquerfahrt“ mit Hänger zurück nach Goslar gibt es dann noch als weitere Zugabe.
Fazit
Der Flug war ein großes Erlebnis.
Wir haben, auch mit Hilfe der RASP-Karte, diverse Wellen gefunden und die Systeme fliegerisch verbinden können. Es mag sein, dass es nicht der optimale Tag für so ein Vorhaben war und 220 km Strecke in der Zeit im Verhältnis zu Thermikflügen nicht umwerfend sind. Sicher muss man sich bei dieser Art des Streckenfliegens vieles auch erst noch erfliegen und erarbeiten.
Wir glauben aber gerade nach diesem Flug, dass der Wellenflug hier im Mittelgebirgsraum noch viele Möglichkeiten bietet, die auf Entdeckung warten. In jedem Fall ist er ein riesiges Erlebnis.
Zum Schluss möchten wir uns bei den Damen und Herren Fluglotsen in Bremen für die sehr freundliche Unterstützung und das Verständnis herzlich bedanken. Es ist sicher nicht alltäglich das sie einen solch kontrollierten Zickzack-Kurs und „Rauf- und Runterflug“ über so viele Stunden zu betreuen haben!
Goslar 9.9.2011 Jens und Rickmer Bothe
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